Polizeibataillon

Polizeibataillone waren militärische Einheiten der Ordnungspolizei des nationalsozialistischen Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs.

Beschreibung

Ein Bataillon ist eine taktische, militärische Einheit mit einem Führungsstab und zwei oder mehr Kompanien.[1] Die Ordnungspolizei (uniformierte Polizei) unter Kurt Daluege hatte im Jahr 1939 zur Unterstützung der Wehrmacht 21 Polizei-Bataillone mit je rund 500 Mann aufzustellen, die später ihre ausgebildeten Mannschaften zur Bildung weiterer Bataillone abgaben.

Hintergrund

Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich war die Polizei im Staatsgebiet nicht zentral gesteuert. Vielmehr verfügten einzelne Länder in Deutschland über eigene Polizeistreitkräfte. Der Beginn der Umformung der Polizei im nationalsozialistischen Sinne begann mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. April 1933. Basierend auf diesem Gesetz, wurde die Grundlage für die Bildung der Geheimen Staatspolizei und eines grundsätzlich veränderten Aufbaus der deutschen Polizei, schon im gleichen Jahr durch Hermann Göring geschaffen. Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 wurde durch die Reichsregierung die Voraussetzung für eine Zentralisierung der Polizei im Berliner Innenministerium geschaffen.[2]

Für einen schnellen Aufbau der deutschen Streitkräfte, musste die Polizei die Angehörigen ihrer Landespolizeieinheiten durch eine gesetzliche Regelung vom 3. Juli 1935 an die Wehrmacht überführen. Damit wurden alle kasernierten Einheiten der Polizei zu Wehrmachtssoldaten, dies betraf bis Dezember 1938 48.212 Angehörige der Polizei.[3] Ein vom Chef der Ordnungspolizei, Kurt Daluege, im Dezember 1938 verfasste Studie zu Organisation, Aufgaben und Personalbedarf der Ordnungspolizei, wies bereits in dieser Zeit Aufgabenbereiche auf, welche im nationalsozialistischen Staat vermehrt zur Aufgabe der Ordnungspolizei werden sollte. Dies waren die Begleitung von Gefangenentransporten und die Verstärkung von Wachmannschaften von Konzentrationslagern.[4] Im Bereich der Gendarmerie entstanden durch die Aufrüstung und nationale Großbauprojekte, zusätzliche Aufgabengebiete, wie bei den Großbaustellen für Reichsautobahnen, neue Rüstungsbetriebe, neue Befestigungsanlagen.[5]

Ende des Jahres 1938 entstand ein neuer Aufgabenbereich, der Ordnungspolizei wurde die Aufgabe „Rückführung von Flüchtlingen“ und Bildung einer „Auffangorganisation“ übertragen. Hierzu hatte die Ordnungspolizei 27.000 Mann zu stellen. Auch die Überwachung der wehrpflichtigen Bürger wurde eine Aufgabe, für die 3.500 Polizisten von der Organisation gestellt werden mussten.[6]

Der erste Einsatz von Polizeikräften zwecks „Rückführung“ erfolgte gemeinsam mit Wehrmachtstruppen beim „Anschluss“ Österreichs im März 1938 und der Eingliederung des „Sudetenlandes“ im Oktober 1938.[7]

Im Dezember 1938 bildete die Ordnungspolizei durch eine Abgabe von ca. 9.000 Mann das Feldgendarmerie-Korps.[8]

Aufstellung von Polizeibataillonen im Krieg

Polizeibataillone wurden ab Kriegsbeginn in Polen eingesetzt und zum größten Teil der Wehrmacht unterstellt. Sie sollten eroberte/besetzte Gebiete sichern und die Sicherungsdivisionen der Wehrmacht entlasten. Sie wurden aber auch Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD zugeteilt und für die Ermordung von Juden und von Zivilisten in eroberten Gebieten eingesetzt. Im weiteren Kriegsverlauf kamen auch sie vermehrt in Frontbereichen zum Einsatz (Rückzug) und waren direkt Wehrmachtsteilen unterstellt.

Polizeibataillon 9: Verabschiedung nach Norwegen

Als Kommandeure und Mannschaftführer wurden bevorzugt Polizeibeamte verwendet, die bereits im Ersten Weltkrieg gedient, aus dem SS oder SA-Bereich kamen oder (ab 1935) den Wehrdienst absolviert hatten. Zur Vorbereitung auf die „Kriegserfordernisse“ organsierte die Ordnungspolizei in den ersten Monaten 1940 ein umfangreiches Lehrgangstraining für alle Führungsebenen, sowohl für Polizeibeamte als auch für Pol.Reservisten.

Reserve-Polizei-Bataillone

Die einfache Mannschaft der Polizei-Reserve-Bataillonen setzte sich durchgängig aus Männern der Hilfspolizei des Verstärkten Polizeischutzes/VPS (ab Dezember 1939 „Polizeireserve“) zusammen. Hilfspolizisten wurden bereits ab 1937 im Zuge der Kriegsvorbereitung als Ersatz für Abgänge von Polizeibeamten und Gendarmen im Krieg ausgehoben und an Wochenenden trainiert. Es handelte sich um etwas ältere ungediente Männer der Jg. 1901–1909, die Wehrmacht stellte sie vom Wehrdienst frei, sie konnten jederzeit über die Notdienstverordnung mobilisiert werden.[9] Zu Kriegsbeginn war der VPS auf bereits über 90.000 Mann angewachsen. Nur ein Teil dieser Hilfspolizisten/Polizeireserve kam – zumeist auch nur temporär – in Polizei-Reserve-Bataillone, diese wurden lokal aufgestellt, die Nummerierung entspricht den jeweiligen Wehrkreisen.

Wachtmeister- und Anwärterbataillone, Polizeidivision

Nach Kriegsbeginn konnten die Schutzpolizei mit Zustimmung der Wehrmacht 26.000 ungediente Wehrpflichtige der Jahrgänge 1918–20 und 1909–1912 anwerben/aufnehmen.[10] Mit diesen Rekruten als einfache Mannschaft war es möglich, 1940/41 weitere Polizei-Bataillone mit den Nummern 251–256 (Anwärterbataillon) und 301–325 (Wachtmeisterbataillon) aufzustellen. Die Zuteilung der Rekruten erfolgte bei diesen Bataillonen zentral über das Kommandoamt der Ordnungspolizei in Berlin. Die Nummernbezeichnung der Bataillone war unabhängig vom Aufstellungsort/Wehrkreis und richtete sich nach der Aufstellungsabfolge. Die einfache Mannschaft dieser Polizeibataillone war nicht nur jünger als jene der Reserve-Polizei-Bataillone, sondern auch besser militärisch ausgebildet. Sie wurden mit einem Einberufungsbefehl der Wehrmacht in eine Polizeikaserne beordert, bis Kriegsende blieben diese Männer Teil der Ersatzreserve I., ihr Dienst wurde als aktiver Wehrersatz anerkannt.[11] Während die Besetzung der Führungsebenen aus Vorkriegspersonal wechselte, blieben diese Männer zumeist bei dem Bataillon, das nach dem Training von ca. 5–6 Monate in einem Ausbildungsbataillon aufgestellt wurde.

Mehr als die Hälfte dieser Neuaufgenommen kam jedoch nicht in ein Wachtmeister- oder Anwärterbataillon, sondern wurde als einfache Mannschaft der frontverwendeten Polizeidivision eingesetzt, vor allem die jüngeren Jahrgänge,[12] aber Ungediente der Jahrgänge 1909–1912.[13]

Aufstellung von Polizei-Regimentern

Aus allen 1942 bestehenden Polizeibataillonen wurden durch Erlass O.Kdo. I O (3) Nr. 184/42 v. 9. Juli 1942 des Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler 28 motorisierte Polizei-Regimenter gebildet. Es gab damals 75 Polizeibataillone, davon waren 47 Pol.Res.Bataillone, 10 weitere sollten lokal aufgestellt werden. Jedes Regiment umfasste 3 bis 4 Bataillone sowie je eine Nachrichten-, Panzerspäh- und Panzerjäger-Kompanie. Die Polizeibataillone verloren ihre Bezeichnung/Nummerierung und wurden mit römischen Ziffern (I./II./III./IV./-) ihres Regimentes bezeichnet.

Mit Erlass O.Kdo. I O (3) 1 Nr. 105/43 vom 12. März 1943 wurde ein Befehl Himmlers (I 462/43 Adj. vom 24. Februar 1943) umgesetzt[14] und allen Polizeiregimentern ein SS vorangestellt, sie blieben jedoch Einheiten der Ordnungspolizei. Die Umbenennung diente vor allem der Unterscheidung zu den kurz darauf (29. März 1943) aufgestellten Polizei-Schützen-Regimentern, die von deutschem Personal geführt, deren Mannschaft jedoch aus angeworbenen Männern besetzter Gebiete rekrutiert wurde. Ihre Nummerierung beginnt mit 31.[15]

Namensregimenter

Zwischen Oktober 1943 und Oktober 1944 wurden aus Südtirolern zudem die vier zusätzlichen Polizeiregimenter „Bozen“, „Alpenvorland“, „Schlanders“ und „Brixen“ aufgestellt.

Geschichte

Überfall auf Polen

Die im Jahr 1939 erstmalig gebildeten sogenannten Polizei-Bataillone kamen mit Beginn des deutschen Angriffskrieges gegen Polen nach dem 1. September 1939 im rückwärtigen Armeegebiet zum Einsatz. Hierbei wurden die Ordnungspolizisten auch in Kampfhandlungen mit regulären polnischen Truppen verwickelt.[16] Eigentlich sollten die Polizei-Bataillone nur für die Gefangennahme versprengter Soldaten, das Einsammeln des vom Gegner zurückgelassenen Kriegsgerätes, für die Bewachung von Kriegsgefangenenlagern und Begleitung von Kriegsgefangenentransporte eingesetzt werden. Als Unterstützung hatte die Ordnungspolizei, die während des „Feldzuges“ mit 103 Offizieren und 5805 Unteroffizieren und Mannschaften an der militärischen Besetzung beteiligt war, noch 16 Kompanien des Nationalsozialistischen Kraftfahr-Korps (NSKK) unterstellt bekommen. Diese sorgten in größeren Städten für die Verkehrsregelung.[17] Im Bereich des Armeeoberkommando 14 kamen fünf Polizei-Bataillone, im Bereich des Armeeoberkommando 10 kamen vier Polizei-Bataillone, im Bereich des Armeeoberkommando 8 ein Polizei-Bataillon zum Einsatz. Ein Bataillon war unmittelbar dem Militärbefehlshaber Polen unterstellt und dem Armeeoberkommando 4 ein Bataillon und eine berittene Polizei-Abteilung.[18]

Weiterer Kriegsverlauf

Insbesondere im Verlauf des Angriffskrieges gegen die Sowjetunion, welcher 1941 als Unternehmen Barbarossa begann, wurde zahlreiche neu aufgestellte Polizei-Bataillone zum Einsatz gebracht. Im weiteren Verlauf des Krieges im Osten wurde die bis dahin eigenständigen Verbände zum größten Teil in Regimentern organisiert.

In Kriegsverbrechen verwickelte Polizeibataillone

Im weiteren Verlauf des Krieges begingen Polizeieinheiten auch Kriegsverbrechen wie Verschleppungen und Massenmorde. Stefan Klemp kommt in seiner Studie zu dem Schluss, dass direkten Aktionen der ca. 50.000 Bataillonsangehörigen „mindestens eine halbe Million Menschen“ zum Opfer fielen.[19] Er hatte Daten zu 125 Bataillonen ermittelt. Mindestens 75 davon standen im Verdacht, direkt oder indirekt an Massenverbrechen beteiligt gewesen zu sein. In der Bundesrepublik wurde ab 1954 gegen Angehörige verschiedener Bataillone ermittelt, es kam zu Verurteilungen und Schuldsprüchen.

Insbesondere für folgende Einheiten sind Kriegsverbrechen bekannt geworden:

Aufgrund der speziellen Aufgabenstellung an die Polizei-Bataillone sind nahezu alle Verbände im Verlauf des Krieges in die überwiegend verbrecherischen Repressions- und Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Systems involviert gewesen. Einige Verbände jedoch durch die Stationierungen jenseits des östlichen und südlichen Kriegsschauplatzes, weniger stark als andere.

Siehe auch

Literatur

  • Stefan Klemp: „Nicht ermittelt“. Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch. 3., korrigierte, erweiterte und überarbeitete Auflage, Metropol, Berlin 2022, ISBN 978-3-86331-588-7
  • Wolfgang Curilla: Die deutsche Ordnungspolizei im westlichen Europa 1940–1945. Schöningh, Paderborn 2020, ISBN 978-3-506-70169-5
  • Philippe Müller: Polizisten oder „Polizeisoldaten“. Planung und Einsatz der Ordnungspolizei während des Dritten Reiches (= Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte e.V. Band 23). Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt 2019, ISBN 978-3-86676-567-2. 
  • Stefan Kühl: Ganz normale Organisationen: Zur Soziologie des Holocaust. Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-29730-8
  • Stephen Campbell: Police battalions of the Third Reich. Schiffer Military History, Atglen PA, 2007, ISBN 978-0-7643-2771-1
  • Wolfgang Curilla: Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrußland 1941–1944. 2., durchgesehene Auflage, Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 978-3-506-71787-0

Einzelnachweise

  1. George Usher: Dictionary of British Military History; 2. Auflage; Verlag A&C Black, London 2006; ISBN=9-780713-675078; S. 24
  2. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 37
  3. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 40
  4. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 40
  5. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 42
  6. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 43
  7. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 43
  8. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 45
  9. Zur Geschichte der Ordnungspolizei 1936 1945, Koblenz 1947, Teil 2: Georg Tessin, die Stäbe und Truppeneinheiten der Ordnungspolizei, Seite 12f. und 34f.
  10. OKW Az12a AHA/Ag/E (Id) Nr. 9371/39 v. 5.10.1939
  11. Verordnung über die Einstellung von Wehrpflichtigen in die Schutzpolizei des Reichs, veröffentlicht am 6. November 1939, RGBl. S. 2137
  12. Zur Geschichte der Ordnungspolizei 1936 1945, Koblenz 1947, Teil 2: Georg Tessin, die Stäbe und Truppeneinheiten der Ordnungspolizei, Seite 12,14
  13. René Rohrkamp, Weltanschaulich gefestigte Kämpfer: Die Soldaten der Waffen-SS 1933 – 1945, Paderborn, 2010, Seite 323/324
  14. Primavesi Papers/File 5, Seite 260
  15. Tessin, Seite 30f.
  16. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 99
  17. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 99–100
  18. Müller: Polizisten oder Polizeisoldaten 2019 S. 99
  19. Stefan Klemp: „Nicht ermittelt“. Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch. Klartext, Essen 2005, S, 70f.
Polizei-Bataillone des Zweiten Weltkriegs

Polizei-Bataillone
1. | 2. | 3. | 4. | 6. | 9. | 10. | 11. | 12. | 13. | 21. | 22. | 31. | 51. | 52. | 105. | 111. | 121. | 131. | 181. | 181. | 251. | 252. | 253. | 254. | 255. | 256. | 301. | 302. | 303. | 304. | 306. | 307. | 308. | 309. | 310. | 311. | 312. | 313. | 314. | 315. | 316. | 317. | 318. | 319. | 320. | 321. | 322. | 323. | 324. | 325.

Reserve-Polizei-Bataillone
2. | 3. | 11. | 22. | 31. | 32. | 33. | 41. | 42. | 43. | 44. | 45. | 53. | 54. | 55. | 56. | 61. | 62. | 63. | 64. | 65. | 66. | 67. | 68. | 69. | 71. | 72. | 73. | 74. | 81. | 82. | 83. | 84. | 85. | 91. | 92. | 93. | 101. | 102. | 103. | 104. | 105. | 106. | 112. | 121. | 122. | 123. | 131. | 132. | 133. | 134. | 171. | 172. | 181.