Pauli-Gleichung

Die Pauli-Gleichung ist die von Wolfgang Pauli (1900–1958) angegebene[1] Erweiterung der Schrödingergleichung, um geladene Spin-1/2-Teilchen, etwa Elektronen in nicht-relativistischer Näherung zu beschreiben. Zusätzlich zu den Termen in der Schrödingergleichung für spinlose Teilchen enthält die Pauli-Gleichung einen Term, der den Spin mit dem Magnetfeld koppelt und der in der klassischen Physik keine Entsprechung hat. Damit kann man z. B. beim Stern-Gerlach-Versuch verstehen, warum ein Strahl von Silberatomen sich beim Durchfliegen eines inhomogenen Magnetfelds je nach Spin-Richtung in zwei Teilstrahlen aufspaltet.

Die Pauli-Gleichung lautet:

i t φ = ( ( p q A ) 2 2 m + q ϕ ) Hamiltonoperator ohne Spin φ g q 2 m σ 2 B Spin-Magnetfeld φ {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\varphi =\underbrace {\left({\frac {({\vec {p}}-q{\vec {A}})^{2}}{2\,m}}+q\,\phi \right)} _{\text{Hamiltonoperator ohne Spin}}\,\varphi -g\,\underbrace {{\frac {q\,\hbar }{2\,m}}\,{\frac {\vec {\sigma }}{2}}\cdot {\vec {B}}} _{\text{Spin-Magnetfeld}}\,\varphi \,}

Hier bezeichnet

  • φ = ( φ ( t , x ) φ ( t , x ) ) {\displaystyle \varphi ={\begin{pmatrix}\varphi _{\uparrow }(t,{\vec {x}})\\\varphi _{\downarrow }(t,{\vec {x}})\end{pmatrix}}} die zweikomponentige Ortswellenfunktion (Paulispinor)
  • p i = i x i , i { 1 , 2 , 3 } , {\displaystyle p^{i}=-\mathrm {i} \hbar \partial _{x^{i}}\,,i\in \{1,2,3\}\,,} die i {\displaystyle i} -te Komponente des Impulsoperators,
  • q {\displaystyle \,q} die elektrische Ladung und m {\displaystyle \,m} die Masse des Teilchens,
  • ϕ {\displaystyle \,\phi } das skalare elektrische Potential und A {\displaystyle {\vec {A}}} das magnetische Vektorpotential,
  • g {\displaystyle \,g} den gyromagnetischen Faktor,
  • σ {\displaystyle {\vec {\sigma }}} die Pauli-Matrizen (mit dem Spin-Operator S = σ 2 {\displaystyle {\vec {S}}=\hbar \,{\frac {\vec {\sigma }}{2}}} ),
  • B = rot A {\displaystyle {\vec {B}}={\text{rot}}\,{\vec {A}}} das Magnetfeld.

In einem schwachen, homogenen Magnetfeld B {\displaystyle {\vec {B}}} koppelt nach der Pauli-Gleichung der Spin um den gyromagnetischen Faktor g {\displaystyle g} stärker an das Magnetfeld als ein gleich großer Bahndrehimpuls L , {\displaystyle {\vec {L}}\,,}

i t φ = p 2 2 m φ q 2 m ( L + g S ) B φ . {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\varphi ={\frac {{\vec {p}}^{2}}{2\,m}}\varphi -{\frac {q}{2\,m}}\,{\bigl (}{\vec {L}}+g\,{\vec {S}}{\bigr )}\cdot {\vec {B}}\,\varphi \,.}

Man erhält die Pauli-Gleichung auch als nichtrelativistischen Grenzfall aus der Dirac-Gleichung, die das Verhalten von elementaren Spin-1/2-Teilchen mit oder ohne Ladung beschreibt. Dabei sagt die Diracgleichung den Wert g = 2 {\displaystyle g=2} für den gyromagnetischen Faktor von Elektronen voraus. Dieser Wert kann auch ohne Einbeziehung relativistischer Annahmen aus der Linearisierung der Schrödingergleichung berechnet werden[2]. Die Quantenelektrodynamik korrigiert diesen Wert zu

g = 2 , 002 319 304 8 ( 8 ) . {\displaystyle g=2,002\,319\,304\,8(8)\,.}

Der theoretische Wert stimmt beim Elektron mit dem gemessenen Wert in den ersten 10 Dezimalen überein.

Herleitung aus der Dirac-Gleichung

Ausgehend von der Dirac-Gleichung für ein Teilchen im elektromagnetischen Feld, aufgespalten in zwei Zweierspinoren,

i t ( φ 1 φ 2 ) = c ( σ π φ 2 σ π φ 1 ) + q ϕ ( φ 1 φ 2 ) + m c 2 ( φ 1 φ 2 ) {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\left({\begin{array}{c}\varphi _{1}\\\varphi _{2}\end{array}}\right)=c\,\left({\begin{array}{c}{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }}\,\varphi _{2}\\{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }}\,\varphi _{1}\end{array}}\right)+q\,\phi \,\left({\begin{array}{c}\varphi _{1}\\\varphi _{2}\end{array}}\right)+m\,c^{2}\,\left({\begin{array}{c}\varphi _{1}\\-\varphi _{2}\end{array}}\right)}   mit   π = p q A {\displaystyle {\vec {\pi }}={\vec {p}}-q\,{\vec {A}}}

unterstellt man, dass nach Abspalten der schnellen Zeitentwicklung, die von der Ruhenergie herrührt,

( φ 1 φ 2 ) = e i m c 2 t ( φ χ ) {\displaystyle \left({\begin{array}{c}\varphi _{1}\\\varphi _{2}\end{array}}\right)=\mathrm {e} ^{-\mathrm {i} {\frac {\displaystyle m\,c^{2}\,t}{\displaystyle \hbar }}}\left({\begin{array}{c}\varphi \\\chi \end{array}}\right)}

die Zeitableitung der Zweierspinoren φ {\displaystyle \varphi } und χ {\displaystyle \chi } klein ist.

i t ( φ χ ) = c ( σ π χ σ π φ ) + q ϕ ( φ χ ) + ( 0 2 m c 2 χ ) {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\left({\begin{array}{c}\varphi \\\chi \end{array}}\right)=c\,\left({\begin{array}{c}{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }}\,\chi \\{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }}\,\varphi \end{array}}\right)+q\,\phi \,\left({\begin{array}{c}\varphi \\\chi \end{array}}\right)+\left({\begin{array}{c}0\\-2\,m\,c^{2}\,\chi \end{array}}\right)}

In der Zeile t χ {\displaystyle \partial _{t}\chi } ist nach Annahme die Zeitableitung klein und die kinetischen Energien und die elektrostatische Energie klein gegen die Ruheenergie m c 2 . {\displaystyle m\,c^{2}\,.} Daher ist χ {\displaystyle \chi } klein gegen φ {\displaystyle \varphi } und ungefähr gleich

χ σ π φ 2 m c . {\displaystyle \chi \approx {\frac {{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }}\,\varphi }{2\,m\,c}}\,.}

In die erste Zeile eingesetzt ergibt sich

i t φ = ( σ π ) 2 2 m φ + q ϕ φ . {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\varphi ={\frac {({\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }})^{2}}{2\,m}}\,\varphi +q\,\phi \,\varphi \,.}

Für das Produkt der Pauli-Matrizen erhält man

( σ π ) 2 = σ i σ j π i π j = ( δ i j + i ε i j k σ k ) π i π j = π 2 q σ B . {\displaystyle ({\vec {\sigma }}\cdot {\vec {\pi }})^{\,2}=\sigma ^{i}\,\sigma ^{j}\pi ^{i}\pi ^{j}=(\delta ^{ij}+\mathrm {i} \varepsilon ^{ijk}\sigma ^{k})\pi ^{i}\pi ^{j}={\vec {\pi }}^{2}-q\,\hbar \,{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {B}}\,.}

Der Spinor φ {\displaystyle \varphi } genügt daher der Pauli-Gleichung mit g = 2 {\displaystyle g=2} ,

i t φ = π 2 2 m φ + q ϕ φ q 2 m σ B φ . {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\varphi ={\frac {{\vec {\pi }}^{\,2}}{2\,m}}\,\varphi +q\,\phi \,\varphi -{\frac {q\,\hbar }{2\,m}}\,{\vec {\sigma }}\cdot {\vec {B}}\,\varphi \,.}

Im homogenen Magnetfeld gilt ϕ = 0 , A = 1 2 B × x , {\displaystyle \phi =0\,,\,{\vec {A}}={\frac {1}{2}}\,{\vec {B}}\times {\vec {x}}\,,} und unter Zuhilfenahme der Vertauschungsregeln des Spatproduktes folgt

( p q A ) 2 = p 2 q x × p B = p 2 q L B , {\displaystyle ({\vec {p}}-q{\vec {A}})^{2}={\vec {p}}^{\,2}-q\,{\vec {x}}\times {\vec {p}}\cdot {\vec {B}}={\vec {p}}^{\,2}-q\,{\vec {L}}\cdot {\vec {B}}\,,}

wenn man Terme vernachlässigt, die quadratisch in B {\displaystyle {\vec {B}}} sind. Dann besagt die Pauli-Gleichung

i t φ = p 2 2 m φ q 2 m ( L + g S ) B φ . {\displaystyle \mathrm {i} \,\hbar \,\partial _{t}\,\varphi ={\frac {{\vec {p}}^{\,2}}{2\,m}}\,\varphi -{\frac {q}{2\,m}}\,({\vec {L}}+g\,{\vec {S}})\cdot {\vec {B}}\,\varphi \,.}

Das Magnetfeld koppelt folglich nicht nur an den Bahndrehimpuls L {\displaystyle {\vec {L}}} und trägt nicht nur q 2 m L B {\displaystyle -{\frac {q\,\hbar }{2\,m}}\,{\frac {\vec {L}}{\hbar }}\cdot {\vec {B}}} zur Energie bei. Der Faktor q 2 m {\displaystyle {\frac {q\,\hbar }{2\,m}}} wird Magneton des Teilchens genannt. Im Spezialfall des Elektrons spricht man auch vom bohrschen Magneton.

In Drehimpulseigenzuständen ist L B {\displaystyle {\frac {\vec {L}}{\hbar }}\cdot {\vec {B}}} ein ganzzahliges Vielfaches der Magnetfeldstärke | B | . {\displaystyle |{\vec {B}}|\,.} Dagegen ergibt S B {\displaystyle {\frac {\vec {S}}{\hbar }}\cdot {\vec {B}}} ein halbzahliges Vielfaches, das erst nach Multiplikation mit g ganzzahlig wird. Bei isolierten Atomen oder Ionen muss man den Gesamt-Bahndrehimpuls und den Gesamt-Spindrehimpuls des Atoms bzw. Ions zu einem Gesamtdrehimpuls J (= L+S ) addieren und erhält den sog. Landé-Faktor g(L, S, J). Dieser ist 1 bei reinem Gesamt-Bahndrehimpuls und 2 bei reinem Gesamt-Spindrehimpuls und hat sonst von 1 und 2 verschiedene Werte. Wenn ferner die betroffenen Atome in einen Festkörper eingebaut sind, erhält man Zusatzbeiträge, die g wesentlich verändern können.

Literatur

  • Franz Schwabl: Quantenmechanik (QM I). 5. erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 1998, ISBN 3-540-63779-6 (Springer-Lehrbuch).
  • Franz Schwabl: Quantenmechanik für Fortgeschrittene (QM II). Springer, Berlin u. a. 1997, ISBN 3-540-63382-0 (Springer-Lehrbuch).
  • Claude Cohen-Tannoudji, Bernard Diu, Franck Laloe: Quantum Mechanics. Volume 2. Wiley u. a., New York NY u. a. 1977, ISBN 0-471-16435-6 (A Wiley-Interscience Publication).

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Pauli: Zur Quantenmechanik des magnetischen Elektrons. In: Zeitschrift für Physik. Band 43, 1927, S. 601–623, doi:10.1007/BF01397326. 
  2. Walter Greiner: Quantenmechanik. Einführung. Band 4, ISBN 3-8171-1765-5.