Irina Press

Irina Press


Irina Press (1964 in Tokio)

Voller Name Irina Natanowna Press
Nation Sowjetunion Sowjetunion
Geburtstag 10. März 1939
Geburtsort Charkiw, Sowjetunion
Größe 168 cm
Gewicht 75 kg
Sterbedatum 22. Februar 2004
Sterbeort Moskau, Russland
Karriere
Disziplin Kugelstoßen, Fünfkampf
Bestleistung 10,4 s (80 m Hürden) Weltrekord
Verein Dynamo Moskau
Medaillenspiegel
Olympische Ringe Olympische Spiele
Gold 1960 Rom 80 m Hürden
Gold 1964 Tokio Fünfkampf
Logo der EAA Halleneuropameisterschaften
Gold 1966 Dortmund 60 m Hürden

Irina Natanowna Press (russisch Ирина Натановна Пресс, ukrainisch Ірина Натанівна Пресс; * 10. März 1939 in Charkow, Ukrainische SSR; † 22. Februar 2004 in Russland[1]) war eine sowjetische Leichtathletin der 1960er Jahre. Zusammen mit ihrer älteren Schwester Tamara Press (1937–2021), ebenfalls Leichtathletin, war sie die eine Hälfte der schon damals so genannten „Press Brothers“, die fast alles gewannen, was es zu gewinnen gab.

Sportliche Erfolge

Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom wurde Irina Olympiasiegerin im 80-Meter-Hürdenlauf, bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio gewann sie überlegen den damals neu eingeführten Fünfkampf.

Sie stellte bei dem ersten Leichtathletik-Europacup der Frauen 1965 im Auestadion (Kassel, Bundesrepublik Deutschland) einen Weltrekord beim 80-Meter-Hürdenlauf mit einer Zeit von 10,4 s auf.[2]

Das Ende als Anfang der Fragen

Den beiden Schwestern wurde nachgesagt, ihr Geschlecht könne nicht festgelegt werden. Sie galten manchen schon bald zumindest als Hermaphroditen; nach anderer Ansicht waren sie mit männlichen Hormonen gedopt. Spötter nannten die beiden „Press Brothers“. Nachdem Geschlechtsüberprüfungen für alle international antretenden Sportlerinnen 1966 zur Pflicht geworden waren (diese Tests wurden 2000 in Sydney wieder abgeschafft), verschwanden beide Sportlerinnen von der Sportlerbühne.

Die westliche Presse verstand diesen Rückzug als Eingeständnis. Die russischen Zeitungen dementieren dies bis heute.

Ihr Platz in der Zeitgeschichte

Die Press-Schwestern symbolisierten die glückliche Zeit der Sowjetunion nach Stalins Tod. Es herrschte jenes Tauwetter, welches später auch die Politik Michail Gorbatschows prägte. Tamara und Irina waren die populärsten Sportlerinnen der UdSSR, ihre Biografien typisch für diese Zeit:

Der Vater starb im Krieg. Sie wuchsen fern ihrer Heimat auf, da diese von deutschen Truppen besetzt und zerstört worden war. Später absolvierten sie ein Studium an der Staatlichen Universität von Leningrad.

Die Zeit nach dem Leistungssport

Nachdem ihre Kandidatur vor den Europameisterschaften 1966 vom Sowjet-Verband zurückgezogen worden war, machten die beiden berufliche Karrieren. Irina ging zu den Grenztruppen des KGB und wurde dort Offizierin. Tamara wurde Bauingenieurin, schrieb zahlreiche Fachbücher über ihren Beruf, aber auch über den Sport. Später bekleideten beide im russischen Sport allerlei Ehrenämter.

Westliche Berichterstattung

Wenngleich bis heute medizinisch nicht nachgewiesen werden konnte, dass Irina Press keine Frau bzw. eine Intersexuelle war, so wurde in den westlichen Medien systematisch an entsprechenden Verdächtigungen gearbeitet. Als die sowjetische Sportlerin dann nach Einführung der obligatorischen Geschlechtstests im Jahre 1966 von zukünftigen Sportveranstaltungen fernblieb, verfestigte sich in den westlichen Medien das Gerücht, dass es sich bei ihr um keine echte Frau handelt.

Bislang existiert lediglich eine wissenschaftliche Untersuchung, die sich mit der Geschlechts-Darstellung von Irina Press in der zeitgenössischen westlichen Presse beschäftigt. In dieser argumentiert der Soziologe Dennis Krämer aus poststrukturalistischer Sicht, dass die damaligen Medien Irina Press’ weibliches Geschlecht wie auch das ihrer Schwester Tamara nicht deswegen systematisch als unweiblich darstellten, weil dieses männliche Züge zeigte, sondern in erster Linie, weil die sowjetische Sportlerin in starkem Kontrast zum damaligen westlich-konservativen Frauenideal von der zarten Hausfrau und Mutter stand. Die Bedrohungen, die in ihr als Sportlerin erkannt wurden, gingen nicht von ihrem genuinen Körper aus, sondern standen in unmittelbarer politischer Relation zur damaligen Konfliktsituation zu Zeiten des Kalten Kriegs. Vor diesem Hintergrund galt der Körper der sowjetischen Sportlerin in erster Linie deswegen als fremd, anders, sonderbar und abnorm, weil hinter ihrer Erscheinung das manipulative Einwirken einer ideologischen Maschinerie des Kommunismus zu Zeiten des Kalten Kriegs vermutet wurde.[3]

Weblinks

Commons: Irina Press – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Irina Press in der Datenbank von Olympedia.org (englisch)
  • Irina Press im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)

Einzelnachweise

  1. Irina Press -- Soviet athlete. Encyclopædia Britannica, Inc., 2004, abgerufen am 26. Februar 2009 (englisch). 
  2. 1953 fing alles an. Eine kurze Geschichte des Auestadions. In: Hessisch Niedersächsische Allgemeine (Hrsg.): Spezial Thema Auestadion. 22. Oktober 2010. 
  3. Dennis Krämer: Mediale Praktiken des Gendering. Tamara und Irina Press im westlichen Sportdiskurs zu Zeiten des Kalten Krieges. In: Gabriele Klein, Hanna Göbel (Hrsg.): Performance und Praxis. Praxeologische Erkundungen in Tanz, Theater, Sport und Alltag. Transcript, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8376-3287-3, S. 191–209. 
Olympiasiegerinnen im Fünfkampf

1964: Sowjetunion 1955 Irina Press | 1968: Bundesrepublik Deutschland Ingrid Becker | 1972: Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Mary Peters | 1976: Deutschland Demokratische Republik 1949 Siegrun Siegl | 1980: Sowjetunion Nadija Tkatschenko

Liste der Olympiasieger in der Leichtathletik

Olympiasiegerinnen im 80-Meter-Hürdenlauf

1932: Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Babe Didrikson Zaharias | 1936: Italien 1861 Trebisonda Valla | 1948: NiederlandeNiederlande Fanny Blankers-Koen | 1952: AustralienAustralien Shirley Strickland de la Hunty | 1956: AustralienAustralien Shirley Strickland de la Hunty | 1960: Sowjetunion 1955 Irina Press | 1964: Deutschland Mannschaft Gesamtdeutsch Karin Balzer | 1968: AustralienAustralien Maureen Caird

Liste der Olympiasieger in der Leichtathletik

Halleneuropameisterinnen im 60-Meter-Hürdenlauf

Europäische Hallenspiele
1966: Irina Press | 1967Karin Balzer (50 m Hürden) | 1968Karin Balzer (50 m Hürden) | 1969Karin Balzer (50 m Hürden)

Halleneuropameisterschaften
1970Karin Balzer | 1971Karin Balzer | 1972Annelie Ehrhardt (50 m Hürden) | 1973Annelie Ehrhardt | 1974Annerose Fiedler | 1975Grażyna Rabsztyn | 1976Grażyna Rabsztyn | 1977Ljubow Nikitenko | 1978Johanna Klier | 1979Danuta Perka | 1980Zofia Bielczyk | 1981Zofia Bielczyk (50 m Hürden) | 1982Kerstin Knabe | 1983Bettine Jahn | 1984Lucyna Kałek | 1985Cornelia Oschkenat | 1986Cornelia Oschkenat | 1987Jordanka Donkowa | 1988Cornelia Oschkenat | 1989Jordanka Donkowa | 1990Ljudmila Naroschilenko | 1992Ljudmila Naroschilenko | 1994Jordanka Donkowa | 1996Patricia Girard | 1998Patricia Girard | 2000Linda Ferga | 2002Linda Ferga | 2005Susanna Kallur | 2007Susanna Kallur | 2009Eline Berings | 2011: Carolin Nytra | 2013Nevin Yanıt | 2015Alina Talaj | 2017Cindy Roleder | 2019Nadine Visser | 2021Nadine Visser | 2023Reetta Hurske

Normdaten (Person): VIAF: 413162422733732460007 | Wikipedia-Personensuche | Kein GND-Personendatensatz. Letzte Überprüfung: 8. März 2023.
Personendaten
NAME Press, Irina
ALTERNATIVNAMEN Press, Irina Natanovna (vollständiger Name); Пресс, Ирина Натановна (russisch); Пресс, Ірина Натанівна (ukrainisch)
KURZBESCHREIBUNG sowjetische Leichtathletin
GEBURTSDATUM 10. März 1939
GEBURTSORT Charkow, Ukrainische SSR
STERBEDATUM 22. Februar 2004
STERBEORT Russland