Austauschbare σ-Algebra

Die austauschbare σ-Algebra ist ein spezielles Mengensystem in der Stochastik, dessen Elemente invariant unter gewissen Permutationen sind. Austauschbare σ-Algebren treten beispielsweise im Kontext von austauschbaren Familien von Zufallsvariablen oder dem 0-1-Gesetz von Hewitt-Savage auf.

Definition

Gegeben sei ein stochastischer Prozess X = ( X n ) n N {\displaystyle X=(X_{n})_{n\in \mathbb {N} }} , wobei jedes X n {\displaystyle X_{n}} Werte in E {\displaystyle E} habe. Sei

F n := { f | f : E N R  ist messbar und n-symmetrisch  } {\displaystyle \mathbf {F} _{n}:=\{f\,|\,f:E^{\mathbb {N} }\to \mathbb {R} {\text{ ist messbar und n-symmetrisch }}\}}

die Menge aller messbaren n-symmetrischen Abbildungen.

Definiere

S n := σ ( F n ) {\displaystyle {\mathcal {S}}_{n}:=\sigma (\mathbf {F} _{n})}

die von diesen Funktionen erzeugte σ-Algebra. Dann ist

E n := X 1 ( S n ) {\displaystyle {\mathcal {E}}_{n}:=X^{-1}({\mathcal {S}}_{n})}

die σ-Algebra aller unter Permutationen der ersten n {\displaystyle n} Indizes des stochastischen Prozesses invarianten Ereignisse. Die austauschbare σ-Algebra ist dann definiert als

E = n = 1 E n {\displaystyle {\mathcal {E}}=\bigcap _{n=1}^{\infty }{\mathcal {E}}_{n}}

und somit die σ-Algebra aller unter Permutationen endlich vieler Indizes des stochastischen Prozesses invarianten Ereignisse.

Beziehung zur terminalen σ-Algebra

Die terminale σ-Algebra ist stets in der austauschbaren σ-Algebra enthalten, denn mit der Darstellung für die terminale σ-Algebra

T = n N σ ( X n + 1 , X n + 2 , ) {\displaystyle {\mathcal {T}}=\bigcap _{n\in \mathbb {N} }\sigma (X_{n+1},X_{n+2},\dots )}

ist immer

σ ( X n + 1 , X n + 2 , ) E n {\displaystyle \sigma (X_{n+1},X_{n+2},\dots )\subset {\mathcal {E}}_{n}}

und damit

T = n N σ ( X n + 1 , X n + 2 , ) n N E n = E {\displaystyle {\mathcal {T}}=\bigcap _{n\in \mathbb {N} }\sigma (X_{n+1},X_{n+2},\dots )\subset \bigcap _{n\in \mathbb {N} }{\mathcal {E}}_{n}={\mathcal {E}}} .

Es lassen sich auch Beispiele konstruieren, bei denen die austauschbare σ-Algebra Mengen enthält, die nicht in der terminalen σ-Algebra enthalten sind. Die austauschbare σ-Algebra ist dann echt größer als die terminale σ-Algebra. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn | E | > 1 {\displaystyle |E|>1} ist, da dann ein B B ( E ) { , E } {\displaystyle B\in {\mathcal {B}}(E)\setminus \{\emptyset ,E\}} existiert und S = i = 1 1 B ( X i ) {\displaystyle S=\sum \limits _{i=1}^{\infty }\mathbf {1} _{B}(X_{i})} zwar E {\displaystyle {\mathcal {E}}} -messbar ist, aber { S = s } T {\displaystyle \{S=s\}\notin {\mathcal {T}}} für s N {\displaystyle s\in \mathbb {N} } . Hier ist die Inklusion strikt.

Umgekehrt lässt sich zeigen, dass für eine austauschbare Familie von Zufallsvariablen X = ( X 1 , X 2 , ) {\displaystyle X=(X_{1},X_{2},\dots )} zu jeder Menge A E {\displaystyle A\in {\mathcal {E}}} ein terminales Ereignis B T {\displaystyle B\in {\mathcal {T}}} existiert, so dass P ( A B ) = 0 {\displaystyle P(A\,\triangle \,B)=0} (der umgekehrte Schluss ist wegen T E {\displaystyle {\mathcal {T}}\subset {\mathcal {E}}} trivial). Zu jeder Menge aus der austauschbaren σ-Algebra existiert also eine Menge in der terminalen σ-Algebra, so dass die Differenz eine Nullmenge wird.

Daraus lässt sich sofort das 0-1-Gesetz von Hewitt-Savage ableiten, nämlich dass die austauschbare σ-Algebra einer unabhängig identisch verteilten Folge von Zufallsvariablen eine P-triviale σ-Algebra ist. Nach dem kolmogorowschen Null-Eins-Gesetz ist dann nämlich die terminale σ-Algebra P-trivial und aufgrund des obigen Ergebnisses auch die austauschbare σ-Algebra.

Literatur

  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, S. 237–247, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.